Rückblick 2 – Annahme der Ausstellung & Diskurse

Rückblick 2 – Annahme der Ausstellung & Diskurse

Bei einem so universellen Thema wie „Schlaf“, das jeden Menschen betrifft, könnte man meinen, dass damit auch ein entsprechend großes Interesse an einer Ausstellung zu eben diesem Thema einhergeht. Noch dazu, wenn die Ausstellung sich in einer frequentiert besuchten Straße der Innenstadt befindet und kostenlos zu besuchen ist. Und falsch liegt man mit dieser Annahme auch nicht. Die Ausstellung „SCHLAFZWISCHENRÄUME(N)“ am Wochenende vom 17.-19. Februar 2023 war zur Freude der ausstellenden Studierenden gut besucht. Um die 200 Menschen kamen zu der erlebbaren Präsentation der Forschungsergebnisse. Noch viele mehr schauten in der vorherigen Woche des Aufbaus neugierig durch die Fenster und auch am Veranstaltungswochenende selbst blieben viele Menschen vor dem Schaufenster stehen, schauten sich die Plakate am Fenster an und blickten interessiert durch die Scheiben. Einige entschieden sich daraufhin mal hereinzukommen, andere hingegen wendeten sich ab. Mir stellten sich da folgende Fragen: Interessierte sie das Thema „Schlaf“ doch nicht so sehr? Oder hatten sie vielleicht keine Zeit oder Lust sich genau jetzt Zeit für diese Ausstellung zu nehmen?

Im Gedächtnis blieb mir, dass auch immer wieder einige Kinder, die mit ihren Eltern durch die Stadt liefen, neugierig zur offenen Tür hereinblickten. Die bunten Farbbahnen auf dem Boden, sowie die plüschigen Wolken in der Mitte des Raums waren es möglicherweise, die ihr Interesse und ihre Neugier weckten. Eines der Kinder wies seine Mutter auf den Aufstellungsraum hin, die daraufhin entgegnete „Ach, das ist eine Ausstellung“ und sich abwendete. Diese Beobachtung deutet auf einen weiteren möglichen Grund hin, weshalb Menschen eine Ausstellung zum Thema „Schlaf“ nicht besuchen: Ähnlich wie die überraschte Person, die ich im letzten Blogeintrag beschrieben hatte, scheinen viele Menschen mit dem Begriff „Ausstellung“ gewisse Vorstellungen und Erwartungen zu verbinden und diese als zu sich selbst passend oder unpassend einzustufen. Hier spielt auch die Sozialisation der Menschen und ihr Habitus eine Rolle. Nach Pierre Bourdieus Habitus-Konzept ist das Handeln von Akteur*innen im sozialen Raum abhängig von deren Positionen im sozialen Raum (Bourdieu, 1992). Obwohl das Konzept sehr deterministisch ist und den Individuen wenig Handlungsspielraum beimisst, gibt es Hinweise darauf, warum einige potenziell interessierte Menschen die Ausstellung nicht besuchten. Weil sie kaum mit Ausstellungen in Berührung gekommen sind, beziehungsweise, aufgrund von mangelndem kulturellem Kapital, keinen Zugang zu Ausstellungen und möglicherweise auch Wissenschaft fanden, wurde internalisiert, dass Ausstellungen (vielleicht insbesondere solche von Forschungsergebnissen) etwas sind, das außerhalb ihres Habitus liegt und nichts für sie sei. Auch wenn das Thema „Schlaf“ dann eigentlich ein zugängliches ist und andere Faktoren (Kosten, Zeit, Lage) günstig sind, kann der eigene Habitus schwerer wiegen, sodass sich schnell gegen den Ausstellungsbesuch entschieden wird. Und das ist auch nicht zu bewerten. Als schade empfinde ich es nur, dass die oben beschriebene Situation zwischen Mutter und Kind dazu führte, dass dem ja eigentlich neugierigen und interessierten Kind vermittelt wurde, dass Ausstellungen auch für ihn nichts seien und das Kind dies nicht für sich selbst überprüfen konnte. In einem weiterführenden Gedanken könnte man sich natürlich auch die Frage stellen, inwieweit eine Präsentation zu kulturwissenschaftlichen Forschungsergebnissen sich auch, durch Sprache und theoretischen Hintergrund, selbst abgrenzt und schwerer zugänglich macht, trotz eines alltäglichen Themas wie „Schlaf“. Die Master-Studierenden aber haben, aus meiner Perspektive, einen Weg gefunden komplexe Konzepte verständlich und anschaulich darzustellen.

Insbesondere die Interaktionsstation wurde von den Besuchenden sehr gut angenommen. Hier hingen zwei große Papierrollen an der Wand und die Besuchenden hatten die Möglichkeit ihre Antworten auf die Frage wem oder was sie vor dem (Nicht)Schlafen-Gehen begegnen würden zu beantworten, oder mit Klebepunkten Zustimmung zu bereits aufgeschriebenen Antworten zu signalisieren.

Dabei entstanden leicht Gespräche über abendliche Routinen, die in der Ausstellung im Unterprojekt „Routinen & Atmosphären beim Zu-Bett-Gehen“ nochmals thematisch aufgegriffen wurden.

Im Verlauf der Ausstellungstage füllte sich die Wand immer mehr mit Antworten zu Personen und Dingen, denen die Besuchenden vor dem (Nicht-)Schlafen-Gehen begegnen. Insbesondere Materielles wie die Wärmflasche, (Hör-)Bücher und technische Geräte fanden sich in den Antworten häufig wieder. Neben Haustieren und Partner*innen, gibt es auch einige immaterielle Begegnungen. Auffallend oft begegnen die Besuchenden ungelösten Problemen, ihren Gedanken und Ängsten, sowie sich selbst. Die Besuchenden sprechen damit bereits von sich aus Themen der „Rückbesinnung auf sich selbst“ an, welche auch als Ergebnis der Forschungen auf der Ausstellung ausgestellt waren an der gleichnamigen Lose-Station.

Einige der Antworten bezogen sich direkt auf Mittel, die dabei helfen sollen, leichter in den Schlaf zu finden, wie beispielsweise Sprays mit Lavendel oder Melatonin. Am letzten Ausstellungstag wirkte die Wand dann schon fast wie eine große Sammlung von, mehr oder weniger hilfreichen, Routinen und Einschlaf-Tipps. Dies war auch in der Hinsicht schön, dass einige Besuchende mit der Erwartung kamen, Fragen zur Verbesserung ihres Schlafs beantwortet zu bekommen. In diesen Fällen war der kulturwissenschaftliche Hintergrund der Forschung & Ausstellung den Personen vorab nicht unbedingt klar geworden. Eine Besucher*in am Samstag kam zum Beispiel vorbei und fragte, was denn der Grund dafür sein könnte, dass sie häufig schon um 4 Uhr morgens wach sei und erhoffte sich von der Ausstellung Antworten und Lösungen zu ihrem Problem. Diese konnten wir ihr zwar nicht liefern, überlegten aber mit ihr, welche ihrer Routinen dazu führen könnten und kamen so in Diskurse über Gesundheit und Substanzen. Diese Diskurse wurden nicht nur an der Station mit den Papierrollen an der Wand geführt, sondern auch in der Station daneben nochmals aufgegriffen. An dieser Station konnten die Besuchenden abstimmen, für welches Getränk (Bier, Wasser oder Kaffee) sie sich vor dem (Nicht-)Schlafen-Gehen entscheiden würden.

Insgesamt können die Master-Studierenden auf eine gelungene Ausstellung ihrer Forschungsergebnisse zurückblicken, die die vielseitigen Facetten des (Nicht-)Schlafens darstellte und ebenso vielseitige Austausche zwischen den Besuchenden und Ausstellenden anregte.

Dorothee Grafe

Literaturverweise:

Bourdieu, P. (1992). Ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital. In: ders.: Die verborgenen Mechanismen der Macht. Hamburg 1992, S. 49-75. Hier nach: Franzjörg Baumgart (Hrsg.): Theorien der Sozialisation. Bad Heilbrunn.  

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